Der Katalog
Der Weg zum Jenne II und seinen Ergänzungen
Im Winter 1986/87 suchte ich aus meiner Erstausgabensammlung deutscher Dichtung des 20. Jahrhunderts etwa 20 Insel-Bändchen aus. Es waren Titel von St. Zweig, Rilke, H. Hesse, Kafka und Binding. Dazu kamen noch 20 Bändchen aus dem Bücherschrank und Regal meiner Mutter, meist noch aus der Zeit des 1. Weltkrieges, darunter auch eine einfach broschierte Kriegsausgabe von IB Nr. 1 Rilke: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, versehen mit einem Ex Libris meiner Mutter. Das war der Anfang.
Die ersten Sammeljahre waren noch bestimmt durch die Antiquariate in der näheren Umgebung. Bald wurde mir das Umfeld zu eng und so beschloss ich, meine Pensionierung um 2 Jahre vorzuziehen, so konnte ich mich ab meinem 63. Lebensjahr ganz der Insel-Bücherei widmen. Den Verlust an Gehalt und späterer Pension durch die frühere Pensionierung hatte ich nach reiflicher Überlegung in Kauf genommen. Damit begann 1991 meine Insel-Rally durch das deutschsprachige Mitteleuropa, jeden Monat eine gute Woche Deutschland bis Bremen, Hamburg, Berlin und in einer 2. Woche wurden die Antiquariate in der Schweiz und Österreich besucht. Von jeder Fahrt brachte ich etwa 500 Bände mit, weil ich bald fast alle Erstauflagen kaufte und daheim auf Varianten untersuchte.
Meine erste Fehlliste war ein Taschenkalender meines Arbeitgebers. Sehr zu meinem Bedauern habe ich ihn in einem Kölner Antiquariat liegen lassen, ich würde gerne heute nochmal hineinschauen. Ich erinnere mich nur, dass ich mich anfangs mit den Dreihunderten sehr schwer tat.
Danach diente mir ein Exemplar der Kästner‘schen Verlagsbibliographie von 1987 als Fehlliste, sie hat große Mengen Buchbinderleim verbraucht (1, 2). In einem zweiten Exemplar habe ich angestrichen, wie oft ich die einzelnen Erstauflagen und deren Varianten gefunden habe (3).
Das war die Grundlage für die Bewertung einerseits der Erstauflagen untereinander und andererseits der Häufigkeit des Vorkommens der jeweils verschiedenen Varianten in meinem ersten Katalog, dem Jenne I. Schon nach wenigen Jahren hatte ich eine Sammlung von über 5000 verschiedenen Erstauflagen und ihren Varianten beisammen. Im Herbst 1994 fand ich schließlich im Nachlass eines Mitarbeiters des Insel-Verlags die letzte mir noch fehlende Erstauflage. Es war das im 2. Weltkrieg kriegszerstörte Bändchen Nr. 256 Euripides Elektra. Dies war der Anlass für mich, dieses aufstrebende Sammelgebiet der Einbandvarianten bibliographisch zu erfassen.
So entstand 1995 der Jenne I, der ein Verzeichnis der Erstauflagen der Insel-Bücherei und ihrer Varianten enthält (4, 5).
Das war die Basis für die nachfolgende starke Verbreitung des Sammelns der Einbandvarianten.
Schon da war eine bibliographische Erfassung der Bändchen nur dadurch möglich, dass jeder Einband eine Nummer bekam und im Katalog abgebildet wurde. So konnte man nun mit der Nummer des Bändchens, der Nummer des Einbandes und einer Farbangabe eine Einbandvariante einfach beschreiben.
Durch die Vielzahl der zusammengetragenen Erstauflagen, es waren für einen Titel meist mehr als 10 und häufig auch bis 20, konnte ich auch eine recht sichere Aussage machen zur Häufigkeit des Vorkommens der einzelnen Varianten einer Erstauflage und sie entsprechend in das Preisgefüge einordnen. So wurde in die Bibliographie eine relative Wertstufe eingebaut, wohl erstmals in der Literatur, die den Wert der einzelnen Bändchen untereinander vergleicht und so auch zeitunabhängig ist. Der aktuelle, den Bändchen zuzuordnende Wert für die einzelnen Wertstufen war einem beigelegten Blatt zu entnehmen. Er hat sich in den 20 Jahren seit dem Jenne I bei vielen Bändchen dramatisch geändert.
Der Katalog, es war also der „Jenne I“, war ein voller Erfolg und die etwas über 1000 Exemplare waren rasch verkauft. Ein Zeichen dafür, dass hier eine gravierende Lücke getroffen wurde. Die vielen übrigen Bändchen, die nicht nur ausgedient, sondern auch ein Loch im Familienbudget hinterlassen hatten, mussten nun verkauft werden. So entstand der „Preisspiegel“, eine Bewertung aller Ausgaben der Insel-Bücherei. Er war gleichzeitig meine erste Verkaufsliste und wohl die umfangreichste von Erstauflagen, die es jemals gegeben hat (6, 7). Auch diese tausend Exemplare waren rasch verkauft, auch wegen des großen Interesses der Antiquare, die das damals sprunghaft aufgeblähte Preisgefüge nicht mitbekommen hatten und immer noch Textbände für 5 DM und Bildbände für 10 DM angeboten haben.
Bisher hatte ich nur die Erstauflagen und die Besonderheiten gesammelt, wie ich das auch in meiner Erstauflagensammlung deutscher Literatur getan hatte. Jetzt begann ich mit den Nachauflagen. Es begann die Rally Nr. 2.
Wieder musste eine Kästner-Bibliographie als Fehlliste dienen (8). Nach wenigen Jahren hatte ich alle Nachauflagen beisammen, auch die etwa 30, die den Auflagensammlern immer noch fehlten, weil sie eine falsche Auflagenangabe hatten oder die Auflage nicht im Band angegeben war und sie so vermeintlich als Erstauflagen angesehen wurden. Den Weg vom Jenne I zum Jenne II dokumentiert der Jenne I mit der mit Bleistift eingetragenen neuen Nomenklatur für die Einbandvarianten (9, 10).
So waren zusammen mit den besonderen Ausgaben 13000 verschiedene Bände zusammen gekommen. Sie waren die Grundlage für die erste Gesamtbibliographie der Insel-Bücherei mit allen bis dahin erschienenen Auflagen und den bis dahin bekanntgewordenen Varianten und Besonderheiten (11, 12, 13, 14).
Wie groß der Aufwand war, dies alles zusammenzutragen, lässt sich an 3 Zahlen ermessen:
20 Jahre sammeln, 10 000 Antiquariatsbesuche = 500/Jahr x etwa 100 durchgeblätterte Bände pro Antiquariat. Dies wären über 1 Mio. Bände, die ich in diesen Jahren in den Antiquariaten durchgesehen habe. Nur so kam auch die Vielzahl von Widmungsexemplaren zusammen, wie sie im 2. Band abgebildet sind.
Die bibliographische Erfassung dieser Vielzahl von Bänden in einem noch manuell beherrschbaren Rahmen war nur möglich geworden durch eine neue Nomenklatur. Mit ihr kann nun eine Variante mit einer einfachen Zahlen-/Buchstabenkombination, z.B. 53e beschrieben werden. Dabei ist 53 der im Katalog abgebildete Einband Nr. 53 und e die Farbkombination rotbraun : weiß. Und schließlich ermöglicht die tabellarische Darstellung, wie sie erstmals für eine Bibliographie verwendet wurde, in einer Zeile bis zu 4 Einbandvarianten vollständig zu beschreiben, wobei die Spalte Bemerkungen die restlichen Informationen liefert.
Schon im Jenne II hatte ich Bändchen aufgenommen, die damals noch nicht in meiner Sammlung waren, aber mir von anderen Sammlern gemeldet wurden, weil sie im Jenne I fehlten. Meist waren es Einbandvarianten von Erstauflagen, denn nach Erscheinen des Jenne I hatte sich ein regelrechter Run auf die meist seltenen Einbandvarianten entwickelt. Die Besitzer dieser Bändchen wurden dann im Jenne II bei ihrem Bändchen unter Bemerkungen genannt.
Dieses Verfahren wurde weitergeführt. Alle Sammler, die den zweibändigen Katalog erworben hatten, wurden gebeten, alles, was in ihrem Besitz war und noch nicht im Katalog stand, zur Aufnahme in den Jenne II zu melden. Die zahlreichen Meldungen, die bis 2013 eingegangen waren, wurden vorab in dem 2013 erschienenen Ergänzungsband erfasst (15, 16). Sie werden später zusammen mit weiteren Meldungen in den Jenne III übernommen. Jedes Bändchen wird wie bisher mit dem Namen des Finders dekoriert und so werden sich im Laufe der Jahrzehnte wohl die meisten der aktiven Sammler im Katalog zusammen finden. Es ist vorgesehen, im Katalog schließlich all diese Sammler in einer Liste zu verewigen.
2004 ist im Deutschen Taschenbuch-Verlag das Bändchen "Bücher sammeln" von Klaus Walther erschienen. Er hat darin auch dem "Inselkönig" einige Seiten gewidmet (17,18). Es war vor dem Erscheinen des Jenne II.
Schon nach Erscheinen des Jenne I bekam ich viel Lob und Dank von Sammlern, aber auch von Bibliothekaren und Antiquaren. Das steigerte sich noch, als der Jenne II erschien. Und bis heute erreichen mich immer wieder anerkennende Schreiben von Büchersammlern, die meinen Katalog entdeckt haben. So hat der Jenne II der Insel-Bücherei eine neue Dimension gegeben.